EuGH Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Die Uhr tickt

Wann wird das EuGH-Urteil zur Zeiterfassung umgesetzt?

Der 14. Mai 2019 wird als ein wegweisender Tag in die Geschichte eingehen. Zumindest, wenn man den Fokus auf Unternehmen, Mitarbeiter und das Thema Arbeitszeiterfassung richtet. Denn das Urteil des EuGH soll Arbeitgeber in allen Mitgliedsstaaten der EU dazu verpflichten, die tägliche Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer systematisch zu erfassen. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das Urteil des europäischen Gerichtshofes und den Vorgaben zur Erfassung der Arbeitszeit. 

Warum hat der EuGH so geurteilt?

Das Urteil des EuGH soll die Rechte der Arbeitnehmer in allen Mitgliedstaaten zum Schutz der Gesundheit stärken. Demnach gilt die Revolution hinsichtlich der Arbeitszeit auch für Deutschland. Denn Arbeitnehmer haben, blickt man auf Arbeitszeitrichtlinien, ein Grundrecht hinsichtlich der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. So muss der Arbeitgeber per Gesetz beispielsweise eine Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und Arbeitsanfang am Folgetag gewähren. Erst wenn die Arbeitszeit systematisch und ganzheitlich erfasst wird, lassen sich beispielsweise auch Überstunden konkret und detailliert beziffern. 

Wen betrifft das Urteil?

Tatsächlich sind, so der EuGH, alle Arbeitgeber von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen. Vom Kleinstbetrieb bis zum großen Konzern. In vielen Betrieben, vor allem in der Produktion, ist die Arbeitszeiterfassung bereits etabliert. Doch mit dem Urteil des EuGH haben die EU-Richter den Mitgliedstaaten aufgetragen, nationale Regelungen, sprich Anpassungen oder Änderungen im Arbeitsrecht, rund um eine systematische Arbeitszeiterfassung zu schaffen. Auch Sonderregelungen je nach Tätigkeitsbereich oder Unternehmensgröße sind möglich und obliegen der nationalen Gesetzgebung. 

Wie schnell müssen Unternehmen reagieren?

Das EuGH-Urteil verpflichtet grundsätzlich noch nicht zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung. Dennoch ist es für Unternehmen ratsam, sich zeitnah mit dem Thema tägliche Arbeitszeit auseinanderzusetzen. Wer frühzeitig mit entsprechenden Arbeitszeitrichtlinien agiert, gerät nicht in die Gefahr, am Ende zu spät dran zu sein, zumal das Urteil des EuGH auch eine Chance für viele Unternehmen sein kann. Denn wird die Arbeitszeiterfassung in ein modernes Workforce Management integriert, können ungeahnte Potentiale gehoben werden – strategisch und operativ. 

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Wie die Umsetzung des EuGH-Urteils aussehen?

Eine Software für Arbeitszeitmanagement ermöglicht die lückenlose und differenzierte elektronische Erfassung der Arbeitszeit, so wie das Urteil des EuGH es vorschreibt. Die Erfassung der Arbeitszeit kann direkt am Arbeitsplatz per PC, über ein Software-Terminal, Telefon oder unterwegs per App auf dem Smartphone erfolgen. Letzteres ist vor allem ein Vorteil für mobile Mitarbeiter, zum Beispiel im Außendienst, im Facility Management oder im öffentlichen Dienst bei Außeneinsätzen wie Verkehrsüberwachung oder Stadtreinigung. 

Unabhängig von der Art der Arbeitszeiterfassung weisen intelligente Automatismen auf fehlende Zeitbuchungen hin und machen die Erfassung der Arbeitszeit sicher und effizient. Die erfassten Arbeitszeiten bilden die Basis für die Berechnung von Zeitkonten und Zuschlägen sowie die automatische Prüfung von gesetzlichen Vorgaben, wie etwa der maximalen Arbeitszeit oder der Ruhezeit. So ermöglicht ein intelligentes Arbeitszeitmanagement gesetzeskonforme Prozesse und schützt gleichzeitig die Gesundheit der Belegschaft.

Welche Rolle spielt digitales Workforce Management in diesem Zusammenhang?

Workforce Management geht noch einen entscheidenden Schritt weiter und bedeutet letztlich die Integration von Arbeitszeitmanagement und Personaleinsatzplanung. Erfasste Ist-Daten aus dem Arbeitszeitmanagement werden genutzt, um bedarfs-, kosten-, service- und mitarbeiterorientierte Dienstpläne zu berechnen. Dabei berücksichtigen sie neben gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Vorgaben den Personalbedarf sowie die Zeitkonten, Verfügbarkeiten und Qualifikationen der Mitarbeiter, ihre individuellen Wünsche und vieles mehr.

Digitales Workforce Management sorgt auf allen Ebenen für mehr Effizienz und schafft gleichzeitig mehr Flexibilität und Transparenz. Beispielsweise informieren automatisch generierte Push-Nachrichten über fehlende Zeitbuchungen, maximale Arbeitszeiten oder ablaufende Qualifikationen. Intuitive Self Services binden die Mitarbeiter direkt ein, entlasten die HR-Abteilung von Routinetätigkeiten rund um das Arbeits- und Fehlzeitenmanagement und beschleunigen diese Prozesse drastisch. So können vergessene Zeitbuchungen oder Abwesenheiten, zum Beispiel Urlaub oder Dienstreise, elektronisch durch den Mitarbeiter beantragt und direkt an den Vorgesetzten zur Genehmigung weitergeleitet werden.

Wann wird das EuGH-Urteil in Deutschland umgesetzt?

 Dazu haben wir mit Konradin Pleul besprochen. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Local Partner im Arbeitsrechts-Team der auf Transaktionen spezialisierten Kanzlei Greenberg Traurig . Er berät nationale und internationale Unternehmen zu allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.

Herr Pleul, vielen Dank für Ihre Zeit. Ist eine Überarbeitung des deutschen Arbeitsgesetzes nach dem EuGH-Urteil vom 14. Mai 2019 unausweichlich?

Ja, aus meiner Sicht ist das notwendig. Der EuGH hat entschieden, dass die gesamte Dauer der täglichen Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmer aufgezeichnet werden muss. Im deutschen Recht ist das momentan nicht vorgesehen. Aktuell ist beispielsweise lediglich gemäß § 16 Arbeitszeitgesetz vorschrieben, dass diejenige Arbeitszeit aufgezeichnet wird, die über die reguläre werktägliche Arbeitszeit, also über acht Stunden je Arbeitstag, hinausgeht. Da hinkt die deutsche Rechtslage dem hinterher, was der EuGH für notwendig erachtet hat.

Konradin Pleul, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Greenberg Traurig

Konradin Pleul, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Greenberg Traurig, Quelle: Konradin Pleul

Beißt sich hier die Katze nicht in den eigenen Schwanz? Denn wenn ich die Mehrarbeit dokumentieren muss, setzt das doch automatisch voraus, dass auch die "normale" Arbeitszeit dokumentiert wird.

Das ist ein sehr interessanter Einwand und wird von manchen Stimmen auch genauso vertreten. Generell ist es per Gesetz vorgesehen, dass man acht Stunden täglich arbeiten darf. Diese Grenze darf als Ausnahme auf bis zu zehn Stunden erweitert werden, sofern in einem bestimmten Zeitraum – in diesem Fall ein halbes Jahr – ein Ausgleich stattfindet. Jetzt argumentieren manche so, dass ich diesen Ausgleich nur nachweisen kann, wenn die komplette Arbeitszeit aufgezeichnet und dokumentiert wird. Dennoch: Momentan sieht das Arbeitszeitgesetz vor, dass nur die Mehrarbeit dokumentiert werden muss und für die Berechnung des erforderlichen Ausgleichs im Übrigen auf die vereinbarten Arbeitszeiten vertraut wird.

Zurück zum EuGH-Urteil. Wie könnte die Umsetzung ins deutsche Recht aussehen?

Ich glaube, dass der Gesetzgeber die Chance nutzen wird, um die Vorgaben des EuGH ausführlicher umzusetzen. Schaut man sich das EuGH-Urteil einmal im Detail auf, fällt ins Auge, dass der Blick auch auf den täglichen/wöchentlichen Ruhezeiten der Arbeitnehmer liegt. Die EuGH-Richter haben den Mitgliedstaaten aufgetragen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zu schaffen.

Damit sollen auch die Ruhezeiten der Arbeitnehmer abgesichert werden, also dass zwischen Beendigung der Arbeit und dem erneuten Aufnehmen der Tätigkeit am nächsten Tag mindestens elf ununterbrochene Stunden Ruhe liegen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn vollständige Transparenz über die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer gegeben ist. Dafür muss ich als Arbeitgeber genau wissen, wann meine Arbeitnehmer angefangen und aufgehört haben zu arbeiten. Es reicht nicht aus, lediglich die Gesamtdauer der werktäglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen. Genau das wird der deutsche Gesetzgeber vermutlich zum Anlass nehmen, um § 16 des Arbeitszeitgesetzes genau unter die Lupe zu nehmen und unter diesem Gesichtspunkt zu überarbeiten.

Die EuGH-Richter haben den Mitgliedstaaten aufgetragen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zu schaffen.


Muss die Umsetzung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen?

Der EuGH hat hier keine Fristen gesetzt. Es bleibt also den nationalen Gesetzgebern überlassen, zu welchem Zeitpunkt entsprechende Änderungen in der nationalen Gesetzgebung greifen. Generell ist das Thema Arbeitszeiterfassung auch ein (sozial-)politisch heikles Thema. Ich glaube, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis eine finale Gesetzgebung auf den Weg gebracht wird.

Zitieren wir noch einmal aus dem Urteil. Dort wird von einem "verlässlichen, objektiven und zugänglichen" System gesprochen. Das suggeriert vollkommene Freiheit bei der Realisation. Wird sich diese Offenheit in der Umsetzung widerspiegeln?

Wenn ich mir die bisherigen Regelungen zur Aufzeichnungspflicht im deutschen Recht anschaue, beispielsweise im Mindestlohngesetz, glaube ich, dass der Gesetzgeber sich nicht trauen wird, eine bestimmte Technik der Arbeitszeiterfassung vorschreiben zu wollen. Das wäre auch über das Ziel hinausgeschossen, weil man damit nicht jedem Arbeitgeber gleichermaßen gerecht werden kann. Ich glaube aber schon, dass der Gesetzgeber klar formulieren wird, was aufgezeichnet werden muss. Sicherlich wird er den Arbeitgebern auch Fristen vorgeben, bis wann die Aufzeichnung erfolgen muss und wie die Dokumentation zum Zwecke behördlicher Kontrollen vorgehalten werden soll.

Wird das Thema der Delegation gesetzlich festgesetzt werden?

Das bleibt abzuwarten. Mit Delegation ist ja gemeint, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Dokumentation der Arbeitszeiten weitgehend autonom überträgt. Wenn der Gesetzgeber die Delegation der Arbeitszeiterfassung explizit im Gesetz verankern will, dann wird er auch vorschreiben müssen, wie die Abstimmung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vonstattengehen soll. Also bis wann ein Arbeitnehmer seine aufgezeichnete Arbeitszeit an den Arbeitgeber zu übermitteln hat, damit die Dokumentation der geleisteten Arbeitszeit im Falle einer behördlichen Prüfung gewährleistet ist. Und vielleicht müsste er auch regeln, was passiert, wenn die Aufzeichnung durch den Arbeitnehmer nicht dem genügt, was das zu schaffende Gesetz vorgibt.

Bleiben wir bei der behördlichen Prüfung. Wie könnte die aussehen?

Das ist ganz spannend. Denn es gibt aktuell ja schon einen solchen Kontrollmechanismus, der im Arbeitszeitgesetz geregelt ist. Der sieht vor, dass Bußgelder verhängt werden können, wenn Arbeitgeber der aktuellen Aufzeichnungspflicht gemäß § 16 nicht nachkommen. Zuständig dafür sind die Arbeitsschutzbehörden der jeweiligen Länder. Außerdem sieht das Mindestlohngesetz für die darin geregelten, noch detaillierteren Aufzeichnungspflichten solche Kontrollmaßnahmen vor. Hier liegt die Zuständigkeit allerdings beim Zoll, der sog. „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“. Die Frage wird sein, ob der Gesetzgeber genau diesen Punkt verschärfen wird, um im Sinne des EuGH ein noch objektiveres und verlässlicheres System zu schaffen.

Meiner Meinung nach wäre es ein falscher Weg, die verpflichtende Arbeitszeiterfassung über drohende Sanktionen umsetzen zu wollen. Wenn die Auszeichnungsregelungen von Anfang an klar definiert sind, sodass sie jeder Arbeitgeber umsetzen kann, dann ist das auch nicht nötig. Denn nochmal: Das EuGH-Urteil ist ja nicht vor dem Hintergrund ergangen, dass Arbeitgeber ihren bestehenden Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen sind, sondern vor dem Hintergrund einer unzureichenden bestehenden (spanischen) Gesetzeslage. Im Fokus des EuGH steht der Schutz der Arbeitnehmer.

Wird die Kontrolle wie bisher Stichprobenartig erfolgen oder wird eine Meldepflicht für Arbeitgeber bei zuständigen Behörden Sinn machen?

Das glaube ich nicht und ich sehe auch absolut keinen Anlass. Die bisherige Regelung der stichprobenartigen Überprüfung wird meiner Meinung nach genauso bestehen bleiben. Nochmal: Anlass der EuGH-Rechtsprechung sind nicht irgendwelche dokumentierten Arbeitszeitverstöße von Arbeitgebern in Deutschland.

Was bedeutet das EuGH-Urteil für Vertrauensarbeitszeit und New Work?

Es kommt darauf an, was man unter Vertrauensarbeitszeit versteht. Es gibt Vertrauensarbeitszeitmodelle, bei denen man durchaus eine bestimmte Wochenarbeitszeit ableisten muss. Das ist sogar der Regelfall. Der Arbeitgeber verzichtet bei diesem Modell nur darauf zu überprüfen, ob bzw. wann diese Arbeitszeit geleistet wird. Dabei gilt aber dennoch, da sind sich die Arbeitsgerichte einig, dass geleistete Mehrarbeit im Sinne von § 16 ArbZG aufgezeichnet, dokumentiert und aufbewahrt werden muss. Es gibt aber auch Vertrauensarbeitszeitsysteme, die noch weitergehen. Beispielsweise, wenn der Arbeitgeber überhaupt keine Wochenarbeitszeit vorgibt, sondern es dem Arbeitnehmer überlässt, in welcher Zeit er seine Arbeit abzuleisten hat. Diese Modelle werden zwar gelebt, allerdings werden solche „radikalen“ Modelle der Vertrauensarbeitszeit selten vertraglich festgehalten, da sie im Konfliktfall zu Problemen führen.

Generell sehe ich keinen Anlass dafür, dass Vertrauensarbeitszeit nicht mehr möglich ist, solange der Schutz der Arbeitnehmer gewährt ist.


Dennoch: Vertrauensarbeitszeit wird es auch künftig weiterhin geben. Allerdings sollten sich Arbeitgeber darauf einstellen, dass sie, um den Arbeitsschutz der Arbeitnehmer gewährleisten und nachweisen zu können, die Arbeitszeiten erfassen (lassen) und die Dokumentationen aufbewahren müssen, damit beispielsweise Ruhezeitverstöße oder eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit vermieden werden. Generell sehe ich keinen Anlass dafür, dass Vertrauensarbeitszeit nicht mehr möglich ist, solange der Schutz der Arbeitnehmer gewährt ist. Das Vertrauen in dem Wort „Vertrauensarbeitszeit“ liegt eben auf der Freiheit, sich die Woche selbst einteilen zu können, aber nicht darin, über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinaus zu arbeiten.

Welche Auswirkungen wird das EuGH-Urteil und ein überarbeitetes Arbeitszeitgesetz auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen haben?

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll und mit den Vorgaben des EuGH vereinbar, den Tarif- und Betriebsparteien den „Ball zuzuspielen“. Diese wissen in der Regel am besten, wie sich eine Arbeitszeiterfassung in der betrieblichen Realität eines Arbeitgebers abbilden lässt. Natürlich muss es auch hier Mindestvorgaben geben, was aufzuzeichnen ist. Die konkreten Modalitäten könnte bzw. sollte der deutsche Gesetzgeber aber durch eine Öffnungsklausel im Gesetz für spezifische Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen freigeben.

Herr Pleul, vielen Dank für das Gespräch

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde vor dem Corona-bedingten Lockdown aufgezeichnet.

Weitere Informationen zu dem Thema? Dann schauen Sie mal hier:

  • Gastbeitrag von Claudia Knuth, Fachanwältin für Arbeitsrecht

    Urteil Arbeitsgericht Emden: Was gilt wirklich bei der Zeiterfassung?

    Vor gut einem Jahr bot ein Urteil des EuGH neuen Zündstoff in der Debatte um eine Pflicht des Arbeitsgebers zur täglichen Arbeitszeiterfassung. Mit dem Urteil vom 14. Mai 2019 verpflichtete der EuGH die Mitgliedstaaten dazu, Arbeitgebern aufzugeben, durch die Einrichtung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems“ die Arbeitszeiterfassung sicherzustellen. 

    Diese Grundsatzentscheidung zum Arbeitnehmerschutz schlug hohe Wellen in der Politik, bei Unternehmen und Arbeitgebern. In der Diskussion, ob der Entscheidung nur eine Aufforderung an die Politik oder ein direkter Handlungsbedarf für Arbeitgeber zu entnehmen sei, setzt das Arbeitsgericht Emden nun einen neuen Impuls. Mit Urteil vom 20. Februar 2020 bestätigte das Gericht die Befürchtung Einiger, dass ein Abwarten auf eine gesetzliche Umsetzung nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Risiken für Arbeitgeber birgt.

    Urteil des EuGH zur Zeiterfassung: Aufforderung an Politik oder Handlungsbedarf für Arbeitgeber?

    Kern der Debatte um die Auslegung des EuGH-Urteils ist die Frage, ob Unternehmen eine Umsetzung der europäischen Vorgaben zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung in deutsches Recht durch den Gesetzgeber abwarten können oder direkt zum Handeln verpflichtet sind.

    Sieht man in dem Urteil eine Handlungsverpflichtung allein für den nationalen Gesetzgeber, bliebe für Unternehmen die Option, erst einmal eine gesetzliche Umsetzung der Anforderungen abzuwarten.  Im Gegensatz dazu warnten Einige vor dieser zögerlichen Vorgehensweise, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass eine Implementierung von Arbeitszeiterfassungssystemen in den Betriebsablauf Zeit in Anspruch nimmt, während das wirtschaftliche Risiko steigt.

    Worum ging es bei dem Urteil des Arbeitsgerichtes Emden hinsichtlich der Zeiterfassung?

    Das Urteil des Arbeitsgerichts Emden hat Anfang des Jahres dieses Risiko aufgezeigt. Das Gericht befasste sich mit der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Vergütungsklage. Ein angestellter Bauhelfer brachte vor, mehr Stunden gearbeitet zu haben als tatsächlich vergütet wurden. Dazu legte er privat geführte Stundenaufzeichnungen vor. Die Arbeitgeberin verwies auf ein von ihr geführtes Bautagebuch, das eine geringere tägliche Arbeitszeit beweisen sollte.

    Was bedeutet das Urteil für eine Pflicht zur Zeiterfassung?

    Das Gericht entschied, dass es sich bei dem Bautagebuch nicht um ein objektives, verlässliches und zugängliches System nach den Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH handele. Ohne eine entsprechende Arbeitszeiterfassung sei der Vortrag der Beklagten als Erwiderung unzureichend. Der Klage des Arbeitnehmers wurde stattgegeben.

    Eine unmittelbare Wirkung unionsrechtlicher Grundsätze zwischen Privaten zeichnete sich in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH bereits in Ansätzen ab. Das Arbeitsgericht Emden legte nun die Arbeitszeitrichtlinie im Lichte der Grundrechte-Charta dahingehend aus, dass diese - auch ohne gesetzliche Umsetzung - eine Pflicht der Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung statuiere. Gewährleistet werden könne die Einhaltung dieser Arbeitnehmerschutzregelung nur durch die Bemessung und Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden in nachvollziehbaren Systemen.

    Was bedeutet das Urteil des Arbeitsgerichtes Emden für Arbeitgeber?

    Auch wenn das erstinstanzliche Urteil in dogmatischer Hinsicht mit Unsicherheiten behaftet ist, sollten sich Arbeitgeber darauf vorbereiten, dass sich andere Gerichte der Meinung anschließen. Da Arbeitgeber ohne ein den Anforderungen des EuGH entsprechendes Zeiterfassungssystem der Darlegungs- und Beweislast vor Gericht nicht nachkommen können, sind sie gut beraten, vorsorglich überprüfbare Arbeitszeiterfassungssysteme zu integrieren.

    Zeiterfassung bei Kurzarbeit

    Zeiterfassung spielt gerade in der derzeitigen Corona-Pandemie eine wichtige Rolle. Unternehmen, die für Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet haben, müssen auf Aufforderung der Agentur für Arbeit den Nachweis erbringen können, dass es tatsächlich zu Arbeitsausfällen gekommen ist. Somit obliegt es ihnen ohnehin bereits, eine nachvollziehbare und akkurate Zeiterfassung zu gewährleisten. Auch im Hinblick auf die gesteigerte Versetzung ins Homeoffice dürfte Arbeitgebern wie Arbeitnehmern daran gelegen sein, Arbeitszeiten nachvollziehen zu können.

    Konkrete Ausgestaltung einer Verpflichtung zur Zeiterfassung

    Sowohl der EuGH, wie auch das Arbeitsgericht Emden lassen in ihren Entscheidungen offen, wie konkret die Ausgestaltung der Zeiterfassungssysteme aussehen muss, um den Anforderungen an die Beweis- und Darlegungslast nachzukommen.

    Nach den knappen Vorgaben steht fest, dass eine Aufzeichnung der täglich geleisteten Arbeitszeit gewährleistet sein muss. Das heißt, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit müssen nachvollziehbar festgehalten sein. Dies soll auch sicherstellen, dass Mindestruhezeiten überprüfbar sind. Dabei ist noch unklar, ob dies auch die Erfassung der Pausenzeiten umfasst.

    Fest steht aber auch, dass nach der Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht die konkrete Ausgestaltung den Arbeitgebern überlassen bleibt. Diese Freiheit korreliert mit der Herausforderung zu entscheiden, wie die Arbeitszeiterfassung im jeweiligen Betriebsablauf sinnvoll ausgestaltet und integriert werden kann. Angesichts der ersten Regelungsvorschläge, die über die Zielsetzung des EuGH hinausgehen, kann durch eine gute Vorarbeit Zeit gespart werden, wenn es endlich zu einer gesetzlichen Umsetzung der Vorgaben kommt. 

  • Diese sieben Fehler sollten nach dem EuGH-Urteil vermieden werden

    Sieben Fehler, die Sie nach dem EuGH-Urteil vermeiden sollten

    Das EuGH-Urteil ist jetzt schon ein paar Tage alt, der erste Schock und die Diskussionen um die vermeintliche Wiederbelebung der altbekannten Stechuhr haben sich gelegt. Dennoch beschäftigen sich vermutlich zahlreiche Unternehmen jetzt (noch) proaktiv damit, wie sie mit dem Urteil umgehen wollen. Deshalb haben wir hier für Sie zusammengefasst, welche sieben Fehler Sie nach dem EuGH-Urteil möglichst nicht machen sollten.

    1. Lassen Sie die Analyse ihrer zeitwirtschaftlichen Prozesse nicht unter den Tisch fallen

    Sie haben sich über das EuGH-Urteil informiert. Zeiterfassung soll bald für alle Unternehmen zur Pflicht werden, auch wenn noch nicht klar ist, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen eventuellen Einschränkungen für bestimmte Branchen und Personengruppen. Aber dennoch: Die Pflicht wird kommen. Jetzt kommt es darauf an, dass Sie handeln – aber nicht vorschnell. Nehmen Sie sich vielmehr die Zeit, ihre zeitwirtschaftlichen Prozesse in einem Analyseworkshop kritisch unter die Lupe zu nehmen. Denn eine ganzheitliche Sicht lässt meistens viel mehr Potentiale erkennen, als auf den ersten Blick vermutet. Haben Sie zum Beispiel im Hinterkopf, dass alle Tarif- und Betriebsvereinbarungen rund um Ihre zeitwirtschaftlichen Prozesse beachtet werden müssen. Dafür braucht es entsprechende Tools, die das automatisch abbilden können. Die Analyse dieser komplexen Prozesse hilft enorm, um zu einer passenden Lösung zu kommen. Das ist am Ende wertschöpfender, als den vermeintlich einfachsten Weg zu setzen.

    2. Verfallen Sie nicht dem Lockruf der schnellen Umsetzung

    Bleiben wir bei dem sprichwörtlichen Schuss ins Blaue. Nach dem EuGH-Urteil sind Sie voller Tatendrang und wollen proaktiv und schnell eine Lösung finden. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn wer schnell einen Brand löschen will, ohne dabei die an die Zeiterfassung angrenzenden Prozesse einzubeziehen, läuft Gefahr, dass an anderer Stelle weitere Brände entstehen. Das Prinzip „Heute bestellen und morgen in den Live-Betrieb“ gehen klingt vielleicht charmant, doch das Risiko, dass etwaige Fehlerpotentiale nicht beachtet werden, ist groß. Deshalb unsere Empfehlung aus der Erfahrung, die wir in zahlreichen Projekten gewonnen haben: Beherzigen Sie Schritt eins und zwei als ein Konglomerat. Lassen Sie sich Zeit und löschen Sie den Brand ganzheitlich. Das Löschmittel ist eine intelligente Lösung, die Ihre Prozesse und Organisationsstrukturen flexibel, effizient und mitarbeiterfreundlich macht.


    3. Nehmen Sie den Preis nicht als einziges Kriterium

    Natürlich, es ist im ersten Moment attraktiv, sich nach einer schnellen und günstigen Lösung umzusehen. Excel? Kostet kaum etwas, ist schnell und einfach. Doch Vorsicht. Um plakativ zu bleiben: Wer billig kauft, der kauft am Ende zweimal, oder dreimal, oder…! Zeiterfassung ist am Ende mehr als Arbeitszeiten eintragen. Zeiten wollen nach bestimmten Spezifikationen bewertet werden. Fehl- und Ausfallzeitenmanagement spielt in Unternehmen eine wichtige Rolle. Und wie sieht es mit Auswertungen und Reportings aus? Oder der Einbindung der Mitarbeiter in die zeitwirtschaftlichen Prozesse? Einfache Lösungen können dies vielleicht in Teilen abbilden, doch den vollen Nutzen erhalten Sie beim optimalen Zusammenspiel aller Komponenten. Wollen Sie tatsächlich auf Datensilos mit hohem Fehlerpotential setzen statt auf eine durchgängige Systemlandschaft, mit automatisierten Prozessen? Begehen Sie hier keinen Fauxpas.

    Das Urteil des EuGH ist weniger lästige Bürokratie als eine echte Chance für Unternehmen, die Personalprozesse auf den Prüfstand zu stellen und langfristig zu optimieren. Mit einer professionellen Lösung entsteht ein enormes Potential für mehr Effizienz und Produktivität. Gleichzeitig können Sie Ihre Mitarbeiter stärker in die zeitwirtschaftlichen Prozesse einbeziehen. Das fördert Eigenverantwortung und Motivation. Ganzheitliches Workforce Management ist mehr als nur reine Zeiterfassung. Es ist eine Investition in die Zukunft. Zum Vorteil von Unternehmen und Mitarbeitern.

    4. Denken Sie nicht nur an morgen, sondern weit in die Zukunft

    Sie sollten sich vor einer Investition die Frage stellen: Ist eine Lösung, in die ich heute investiere, auch noch dann geeignet, wenn mein Unternehmen in Zukunft beispielsweise doppelt so viele Mitarbeiter oder eventuell auch weitere Standorte hat? Ist vielleicht sogar eine internationale Expansion geplant? Kann die Software im Standard Regelungen im Ausland abbilden oder stehen Sie dann vor der nächsten Investition? Im Idealfall entscheiden Sie sich schon heute für eine Lösung, die all diese Anforderungen abbilden kann und skalierbar ist. Kurz: eine Lösung, die mit den Anforderungen Ihres Unternehmens mitwächst.

    5. Vergessen Sie nicht, alle relevanten Stakeholder mit einzubeziehen

    Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, eine ganzheitliche Arbeitszeiterfassung in Ihrem Unternehmen zu implementieren, dann sollten alle Unternehmensbereiche in die Planung einbezogen werden. Beispielsweise von der Produktion über die Verwaltung bis hin zum Außendienst, bei dem Mitarbeiter ihre Zeiten idealerweise einfach und schnell über eine App erfassen können. Sind alle Mitarbeiter in einem einheitlichen System hinterlegt, macht das die der Zeiterfassung nachgelagerten Prozesse einfacher, weniger fehleranfällig und effizienter. Haben Sie Standorte im Ausland? Auch diese Mitarbeiter können ganz einfach in einem professionellen Workforce Management System hinterlegt werden. Die Zeiten werden dann natürlich nach landestypischen Gesetzen und Regularien bewertet. Und das vollautomatisiert.

    6. Unterschätzen Sie nicht die Komplexität

    Nicht erst seit dem EuGH-Urteil sind gesetzliche Rahmenbedingungen ein Thema. Wenn Sie über eine Lösung für Ihr Arbeitszeitmanagement nachdenken, steht die Abbildung von Gesetzen, Tarifen und Betriebsvereinbarungen als ein wichtiger Punkt im Fokus. Kann das System die DSGVO komplett abdecken? Werden Mindestlohnregularien automatisch eingehalten und rechtssicher dokumentiert? Wird auf Ruhezeitverletzungen oder Überschreitung der maximalen Arbeitszeiten automatisch hingewiesen? Solch komplexe Überwachungsmechanismen können von einem manuellen Arbeitszeitmanagement nicht geleistet werden. Der administrative Aufwand steigt ins Unermessliche, die Fehlerhäufigkeit übrigens auch. Setzen Sie daher auf eine Lösung, die im Hintergrund für Sie arbeitet und Ihre Mitarbeiter von Routinetätigkeiten entlastet.  

    7. Vermeiden Sie Schnellschüsse bei der Partnerwahl

    Zu guter Letzt. Sie sollten Ihren zukünftigen Partner genau unter die Lupe nehmen und nicht einfach – und da kommen wir wieder zu Punkt eins – ins Blaue hinein handeln. Wie ist die Beständigkeit Ihres zukünftigen Workforce Management Partners? Seit wann ist das Unternehmen am Markt? Welche Investitionsstärke steckt dahinter? Wie viel wird in die Weiterentwicklung der Produkte gesteckt? Wie sieht es mit der Updatepolitik aus? Wie ist der Kundenservice? Wie qualifiziert die Hotline? Wie viele Mitarbeiter arbeiten in Forschung, Entwicklung und Professional Services? Und vor allem: wie groß ist die Kundenbasis im In- und Ausland? All diese Fragen sollten beachtet werden, wenn Sie eine langfristige und professionelle Zusammenarbeit anstreben

    Das Urteil des EuGH ist weniger lästige Bürokratie als eine echte Chance für Unternehmen, die Personalprozesse auf den Prüfstand zu stellen und langfristig zu optimieren. Mit einer professionellen Lösung entsteht ein enormes Potential für mehr Effizienz und Produktivität. Gleichzeitig können Sie Ihre Mitarbeiter stärker in die zeitwirtschaftlichen Prozesse einbeziehen. Das fördert Eigenverantwortung und Motivation. Ganzheitliches Workforce Management ist mehr als nur reine Zeiterfassung. Es ist eine Investition in die Zukunft. Zum Vorteil von Unternehmen und Mitarbeitern.

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