Andreas Obereder Interview

The future is the new present – there is no going back

Prof. Dr. Steffen Strese im Gespräch mit Andreas F.J. Obereder, CEO und Gründer der ATOSS Software AG

Herr Obereder, bevor wir über ATOSS sprechen, interessiert mich Ihr Blick auf die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen im vergangenen Jahr.

Nun, nach zwölf Jahren Höchstkonjunktur wurde uns allen 2020 aufgezeigt, dass es Entwicklungen gibt, gegen die wir kein sofortiges Gegenmittel haben und deren ganzes Ausmaß wir wohl erst in der Retrospektive verstehen werden. Heute schon klar absehbares Faktum dieser Entwicklungen ist, dass die Zukunft in die Gegenwart gerückt ist! Die erzwungene enorme Beschleunigung der Technologisierung unserer Welt hat der Wirtschaft völlig neue Parameter gesetzt. Damit wurde die Prozess- und Arbeitswelt in allen Industrien unwiderruflich verändert. Die unumgängliche Digitalisierung aller Prozesse in Unternehmen wie auch bei Work from Home respektive »from around the World« sind zwei dieser maßgeblichen Weichenstellungen. Durch die rasante Zunahme der Geschwindigkeit haben die Themen Digitalisierung und sofortige Verfügbarkeit aller Daten in Organisationen die Akteure unter einen enormen Zugzwang gesetzt.

Sehen Sie im letzten Jahr auch stabilisierende Veränderungen?

Sicher, die neue US-Regierung und die Klarheit beim Thema Brexit eröffnen neue Perspektiven für die Kooperation, sowohl transatlantisch als auch innerhalb Europas und der EU. Es bieten sich Chancen, Stärken wie Verlässlichkeit und partnerschaftliches Miteinander zur Grundlage gemeinsamen Gestaltens zu machen. Ich verspreche mir davon eine neue Qualität der Zusammenarbeit bei der Bewältigung globaler Herausforderungen in Ökologie und Ökonomie. Und dennoch – insgesamt hat die Volatilität und die Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen für Unternehmen dramatisch zugenommen. Dies wird uns und unsere Kunden weiter begleiten.

Wie wirkt sich diese Volatilität auf die Unternehmen aus?

Hier ein paar Beispiele aus den letzten zwölf Monaten: Vorgaben zum Gesundheitsschutz lösen starke Volatilität aus. Das heißt, beispielsweise Abstandsregelungen, Hygienemaßnahmen, besonderer Schutz von Risikogruppen, Splitorganisationen und Ähnliches sind bei der Personalplanung zu berücksichtigen. Personalengpässe triggern Volatilität. Themen wie Kinderbetreuung, Krankheit und gesetzliche Grenzen der Arbeitszeitflexibilisierung müssen beachtet werden. Die aktuelle Krise schlägt zudem auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite sozusagen doppelt zu: zum einen durch ein deutlich erhöhtes Risiko von Störungen der Lieferketten und in Folge einen Angebotsschock, zum anderen durch einen Nachfrageschock durch verändertes Kundenverhalten. Beide Aspekte müssen, um Umsatz und Kosten zu optimieren, vorausschauend in der Personalplanung berücksichtigt werden. All dies und finanzielle Engpässe schaffen ein Umfeld nie erlebter Unbeständigkeit.

Wie sollten Unternehmen dieser Situation begegnen?

Volatilität ist nichts Neues – sie hat aber 2020 ein ungeahntes Ausmaß angenommen. Aber auch in den Jahren zuvor hatte sich die Veränderungsgeschwindigkeit in der Weltwirtschaft deutlich erhöht. Und schon da war klar, dass die richtige Antwort darauf Flexibilität ist, also die Ad-hoc-Anpassbarkeit des Unternehmens an neue Rahmenbedingungen. Die Fähigkeit auf unvorhersehbare Veränderungen kurzfristig reagieren zu können. Laut einer Erhebung der KfW setzten schon im April 2020 rund ein Drittel der Mittelständler auf flexiblere Arbeitszeiten und -orte. Bei Unternehmen, die bereits Störungen im Geschäftsbetrieb durch Mitarbeiterausfälle erlebt hatten, waren es sogar mehr als die Hälfte. Über 70 Prozent der Mittelständler mit mehr als 50 Mitarbeitern haben in den letzten zehn Monaten die Nutzung von Home Office ausgebaut. Dass sich das bezahlt macht, bestätigen auch die Ergebnisse einer Executive-Befragung durch McKinsey. Die Studie zeigt, dass die Unternehmen erfolgreicher durch die Krise kommen, die auf fortschrittliche Technologien setzen und dabei innovativer und experimentierfreudiger sind.

Wie schätzen Sie den Sprung, den die Wirtschaft im Thema Digitalisierung gemacht hat, ein?

In einer aktuellen europäischen Umfrage geben mehr als zwei Drittel der befragten Executives an, dass die Pandemie ein Treiber für die digitale Transformation in ihren Unternehmen ist. Das gilt besonders für die Themen, die bereits vor der Krise stark angenommen wurden. 2020 war für viele von uns in vielerlei Hinsicht ein Jahr des Erwachens und der Abrechnung. Selbst die besten Pläne von CIOs für den Wechsel ihrer Organisationen in die Cloud mussten plötzlich noch einmal massiv beschleunigt werden.

Warum sind Cloud-Lösungen noch mehr in den Fokus gerückt?

Die Cloud hat im letzten Jahrzehnt bewiesen, dass sie mehr ist als ein Technologieangebot. Sie ist ein entscheidender Wegbereiter für geschäftliche Innovationen. Cloud-Lösungen haben häufig erst die Möglichkeit eröffnet, in der 2020 erlebten Geschwindigkeit auf externe Veränderungsprozesse reagieren zu können. Über den Einsatz von Cloud-Lösungen wird die IT signifikant optimiert bzw. erweitert, und Unternehmen wird die Möglichkeit geboten, mit der Geschwindigkeit des Geschäfts zu skalieren. Vorhersehbare und unvorhersehbare Anstiege bzw. Schwankungen lassen sich einfacher bewältigen. Unternehmen, die schon früh auf die Cloud gesetzt haben, waren deutlich besser in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kunden und Mitarbeiter zu erfüllen und gleichzeitig ihr Umsatzwachstum aufrechtzuerhalten. Das zeigen die Jahresergebnisse erfolgreicher Organisationen. Unsere Kernbotschaft aus dem Geschäftsbericht des letzten Jahres »Now is the time to prepare« hat sich in der Rückschau als zutreffend erwiesen, auch wenn uns allen andere Begleitumstände lieber gewesen wären.

Andreas Obereder im Interview schaut nach links

Digitalisierung und Cloud haben den Fokus auf die Verbesserung des Kundenerlebnisses und den Nutzen für externe und interne Kunden eines Unternehmens verlagert.

Andreas F.J. Obereder
CEO und Gründer, ATOSS

Das Thema Cloud gewinnt also noch an Bedeutung? 

Auf jeden Fall. Digitalisierung und Cloud haben den Fokus auf die Verbesserung des Kundenerlebnisses und den Nutzen für externe und interne Kunden eines Unternehmens verlagert. Deutschland hat hierbei noch einen enormen Aufholbedarf. Eurostat schätzt den Anteil der Unternehmen, die auf CloudComputing-Dienste setzen, bei uns auf gerade einmal 22 Prozent. In Skandinavien, Großbritannien oder den Niederlanden ist es immerhin bereits gut die Hälfte aller Unternehmen. Das spiegelt sich auch in unseren Zahlen wider. In unserem Geschäft in Deutschland liegt der Cloud-Anteil nur etwa bei 40 Prozent, im Ausland verkaufen wir heute fast ausschließlich Cloud Lösungen. Ungeachtet der Zunahme ihres Einsatzes in 2020 – deutsche und europäische Unternehmen haben hier noch einiges zu tun. Das indiziert über die kommenden Jahre ein Wachstum in diesem Bereich.

Wie hilft digitales Workforce Management bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie?

Unsere Lösungen haben die Grundlage für die rechtskonforme Dokumentation von Home-Office-Zeiten sowie für die prüfungssichere Dokumentation aller erforderlichen Unterlagen zur Beantragung von Kurzarbeit und Fördermitteln geschaffen. Gleichzeitig erleichtern sie das Ressourcenmanagement über Langzeitkonten, Urlaubssteuerung und Kapazitätsplanung. ATOSS Kunden konnten ad hoc, präzise und hocheffizient reagieren. Sie sicherten und sichern damit ihre Wettbewerbsfähigkeit, zum Teil die finanzielle Grundlage und letztlich Arbeitsplätze. Wir haben in dieser Phase unglaublich viel positives Feedback von unseren Kunden, darunter viele systemrelevante Unternehmen wie Kliniken, Logistiker und Versorger, erhalten.

Welche Branchen profitieren besonders von Ihren Lösungen?

Das Thema ist branchenübergreifend relevant. Besonders positive Effekte lassen sich aber in personalintensiven Branchen mit schwankenden Bedarfen erzielen. So zum Beispiel im Einzelhandel, wo Unternehmen wie EDEKA, ALDI SÜD, Douglas oder Fressnapf seit Langem auf unsere Lösungen setzen. Und natürlich ganz besonders im Gesundheitswesen bei Kunden wie Helios, Universitätsmedizin Mainz, den Kliniken Saarbrücken und Leverkusen oder dem Schweizer Telemediziner Medgate. Aber auch in der Logistik, dem produzierenden Gewerbe, der Dienstleistungsbranche und dem Öffentlichen Sektor konnten wir bei Unternehmen wie Rhenus Logistics, WISAG, thyssenkrupp Packaging Steel, HUK-COBURG oder der Landeshauptstadt München einen signifikanten Nutzenbeitrag leisten.

Das klingt eher nach den Big Playern. Wie sieht es denn beim Mittelstand und bei Kleinunternehmen aus?

Da ist das Thema nicht minder wichtig. Fachkräftemangel, neue Gesetze und Vorschriften wie die DSGVO oder das EuGH-Urteil zur verpflichtenden Erfassung von Arbeitszeiten steigern die Notwendigkeit, in digitales Arbeitszeitmanagement zu investieren. ATOSS bietet Lösungen für Unternehmen von zwei bis 200.000 Mitarbeitern an. Für Kleinunternehmen, Startups und Handwerksbetriebe bis zu etwa 30 Mitarbeitern ist unsere Cloud-Software Crewmeister optimal. In 60 Sekunden in der Cloud initialisiert und in 15 Minuten aufgesetzt, sind Unternehmen im Handumdrehen startklar. Sie können einfach, schnell und wirtschaftlich Zeiten erfassen, Urlaube verwalten oder Personaleinsätze planen. Allein im vergangenen Jahr haben wir etwa 1.600 neue Kunden im Segment der Kleinunternehmen dazugewonnen. Im klassischen Mittelstand haben wir übrigens auch mehr als 3.000 Kunden.

Stichwort Compliance – hat das Thema für Unternehmen strategische Relevanz?

Das Thema ist wichtig für Unternehmen wie für die Organschaft – keine Frage. Die Komplexität im Bereich Workforce Management steigt national und international aufgrund neuer Gesetze und Strafkataloge kontinuierlich. Daher ist ein rechtssicheres System zwingend erforderlich, um rechtliche Konsequenzen für Unternehmen und Organe abzuwenden. Für uns ist es ganz einfach die notwendige Basis, um darauf aufbauend mit unseren Kunden die wirklich spannenden Fragestellungen, wie zum Beispiel die nach dem bedarfsorientierten Personaleinsatz, zu diskutieren.

2020 war für ATOSS das 15. Rekordjahr in Folge. Ihr Unternehmen wurde erneut von den renommierten Publikationen Handelsblatt und WirtschaftsWoche als führender Mittelständler ausgezeichnet. ATOSS scheint vieles richtig zu machen…

Danke! Für mich ist ein stabiles politisches Umfeld wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum. Bei aller oft berechtigter Kritik müssen wir, meine ich, wirklich sehr dankbar sein für die Stabilität und Handlungsfähigkeit unserer Demokratie. Außerdem richten wir bei ATOSS Entscheidungen in der Regel langfristig und werteorientiert aus. Dabei lebt unser Team konsequent unsere Mission, die Arbeitswelt für alle Stakeholder nachhaltig zu verbessern. Diese Mission hat kein Haltbarkeitsdatum. Sie ist dauerhaft gültig und hilft immer wieder abzugleichen, ob das, was wir heute machen, zu einem Mehrwert in der Zukunft führt. Das ist uns wichtiger als die kurzfristige Geldvermehrung und unterscheidet uns. Neben dieser Strategie braucht es die effektive Umsetzung durch unsere Mitarbeiter. Es hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Resilienz alle Bereiche unseres Unternehmens auf die besonderen Herausforderungen des vergangenen Jahres reagiert haben.

Andreas Obereder ballt die Fäuste

Es hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Resilienz alle Bereiche unseres Unternehmens auf die besonderen Herausforderungen des vergangenen Jahres reagiert haben.

Andreas F.J. Obereder
CEO und Gründer, ATOSS

Das Ergebnis kann sich sehen lassen…

In der Tat. Trotz schwierigster Rahmenbedingungen ist es uns geglückt, das sehr gute Jahr 2019 in allen Bereichen erneut zu übertreffen. Das Ergebnis ist ein Gesamtwachstum von 21 Prozent, im Bereich Cloud sogar 66 Prozent – bei einer sehr soliden EBIT-Marge von 30 Prozent. Und das zeigt sich auch im Unternehmenswert und der deutlichen Steigerung des Aktienkurses. Darauf können alle Mitarbeiter und Geschäftspartner wirklich stolz sein.

Ein Blick in die Zukunft, Herr Obereder – was steht da auf Ihrer Agenda?

Wir richten unser Unternehmen seit einigen Jahren zunehmend international aus, um unsere Kunden weltweit noch besser bedienen zu können. Inzwischen in über 45 Ländern auf vier Kontinenten. Gesetze und Vorschriften wie die DSGVO oder das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung haben einen länderübergreifenden Charakter, daher werden internationale Lösungen für Unternehmen immer wichtiger. Für die absehbare Zukunft haben wir uns vorgenommen, in jedem Jahr Sales- und Service-Standorte in neuen Ländern zu entwickeln und Unternehmen in diesen Ländern von unseren Lösungen zu überzeugen.

Haben Sie ein Beispiel für ein internationales Projekt?

Nehmen Sie den weltweit größten Schokoladenproduzenten Barry Callebaut mit 60 Produktionsstätten in über 40 Ländern. Das Unternehmen hat sich 2020 im Rahmen der Digitalisierungsstrategie für ATOSS als weltweiten Partner beim Thema Workforce Management entschieden. In einem agilen Projekt haben wir in nur zwei Quartalen unsere Lösung in den ersten fünf europäischen Ländern eingeführt. Zentral gesteuert, aber jeweils angepasst an die lokalen Anforderungen und Gesetze der Landesorganisationen. 2021 rollen wir gemeinsam mit dem Kunden die Lösung nun auf weitere Länder aus. Von Europa über Afrika bis in die USA. Das Ganze übrigens in der Cloud.

Welche Themen beschäftigen Sie noch?

Unser zweiter Schwerpunkt der nächsten Jahre ist die Fortsetzung der Transformation von ATOSS zu einer Cloud Company. Wir bieten ja schon seit 2015 Cloud-Lösungen an und haben in den letzten Jahren wichtige und gute Erfahrungen in dem Bereich gemacht. Ein großer Teil unserer Neukunden entscheidet sich bereits heute für eine unserer modernen Cloud Solutions. Um auch in Zukunft die beste Technologie anbieten zu können, investieren wir in den nächsten Jahren mehr als 60 Millionen Euro in die Weiterentwicklung unserer Lösungen und die Transformation unseres Unternehmens. Davon profitieren nicht nur unsere Kunden, sondern auch ein breites Partner-Ökosystem.

Partner-Ökosystem – können Sie das kurz erläutern?

Wir sind gerade dabei, unser Partner-Netzwerk konsequent auszubauen. Das wird uns helfen, unsere Lösungen schnell und mit höchster Kundenorientierung international einzusetzen. Die Bandbreite geht von Technologiepartnern wie SAP oder Microsoft, in deren Portfolios wir unsere Lösungen integrieren, bis hin zu internationalen Implementierungspartnern, die unsere Produkte ergänzen und arrondieren. Wir sind permanent auf der Suche nach leistungsfähigen Unternehmen, die gemeinsam mit uns die Arbeitswelt von morgen gestalten und am Erfolg von Workforce Management made by ATOSS partizipieren möchten.

Das klingt nach ausgezeichneten Perspektiven…

In der Tat! Und ich kann Ihnen sagen, dass es genau die enormen Potentiale in unserem Unternehmen und unserem Geschäftsmodell sind, die mich – und ich denke, hier auch für unser gesamtes Team sprechen zu können – tagtäglich inspirieren, uns zu verändern und an der Zukunft auszurichten.

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