Interview Arbeitswelten der Zukunft

New Work braucht Beweglichkeit

Interview mit Anna Kaiser über Arbeitswelten der Zukunft

Heute reden wir einmal über Arbeitswelten der Zukunft. Und dazu gibt es kaum eine bessere Gesprächspartnerin als Anna Kaiser. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von Tandemploy, einer jungen Firma, die seit 2014 die Arbeitswelt auf den Kopf stellt. Für ihre Arbeit wurde sie über 20-fach ausgezeichnet. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie Software, die Konzerne und Mittelständler dabei unterstützt, neue Strukturen und Arbeitsmodelle in die Praxis umzusetzen – und sie damit fit macht für die digitale Transformation.

In der eigenen Firma lebt sie vor, wie andere Arbeit aussehen kann. Sie selbst teilt sich die Geschäftsführung im Jobsharing, alle Mitarbeiter*innen arbeiten in flexiblen Arbeitsmodellen und interdisziplinären Team. Zuletzt haben sie die starre 40-Stunden-Stelle bei Tandemploy abgeschafft. Anna diskutiert ihr Anliegen einer vernetzten, innovativen und zukunftsgewandten Arbeitswelt auf höchster politischer und gewerkschaftlicher Ebene. Sie ist im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft” des Bundeswirtschaftsministeriums und Mitglied im Ethikbeirat HR-Tech. Außerdem leitet sie das Ressort Arbeitswelt der Zukunft des Bundesverbands der Digitalwirtschaft.

Anna Kaiser Tandemploy

Anna Kaiser gründete 2014 Tandemploy und macht seitdem Unternehmen fit für die digitale Transformation, Foto: Anna Kaiser, Tandemploy

Anna, du bist seit kurzem neue Vorsitzende des Ressorts Arbeitswelt der Zukunft beim Bundesverband digitale Wirtschaft. Herzlichen Glückwunsch dazu. Greifen wir das mal auf. Wie sieht für dich die Arbeitswelt der Zukunft aus?

Danke für die Glückwünsche! Eigentlich müsste das Ressort „Arbeitswelt der Gegenwart“ heißen, denn Zukunft klingt immer so, als sei das alles noch ganz weit weg. Dabei stecken wir mittendrin in der digitalen Transformation und sind JETZT gefragt, die Chancen zu nutzen, die sich daraus ergeben. Es entstehen ganz neue Aufgabenbereiche und Berufsfelder, andere verändern sich massiv oder fallen perspektivisch ganz weg. Vernetzt und interdisziplinär zu arbeiten wird essentiell.

Ich bin überzeugt, dass Veränderungskompetenz die wichtigste von allen ist, also die Fähigkeit, sich auf neue Anforderungen, Kunden, Kolleg*innen und Technologien einlassen zu können und diese auch für die eigene Weiterentwicklung zu nutzen. Unternehmen müssen Strukturen schaffen, in denen Veränderung und Lernen möglich ist - sie müssen beweglich werden!

New Work in seiner besten Form wäre, den Menschen dabei als Ganzes zu sehen, also nicht nur mit seinen arbeitsrelevanten Talenten und Bedürfnissen, sondern auch mit seinen Interessen und Verantwortungsbereichen außerhalb der Organisation. Glücklich sein und trotzdem Konzerne leiten - wenn wir das schaffen, mache ich mir um die Zukunft der Arbeit wenig Sorgen.

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Immer mehr Menschen wünschen sich flexible Arbeitszeiten und eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Siehst du Unternehmen in der Pflicht, sich dem zu beugen?

Smarte Unternehmen haben längst erkannt, dass Flexibilität und zufriedene Mitarbeitende kein Luxus sind, den sie sich gönnen, wenn sie besonders nett sind. Das ist, ganz nüchtern betrachtet, eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Es ist kein Geheimnis mehr, dass Mitarbeitende, die gesehen werden, die Verantwortung übernehmen dürfen und die Zeit für Dinge abseits der Arbeit haben, auch die bessere Leistung im Arbeitskontext bringen.

Unser Team ist das beste Beispiel dafür. Wir haben die 40-Stunden-Woche abgeschafft, alle Kolleg*innen arbeiten flexibel in unterschiedlichen Konstellationen, eben so, wie es zu ihrem Leben passt. Das geht wunderbar, man muss nur wollen!

Es gibt ja bereits viele Unternehmen, die mit New Work werben. Wie siehst du die tatsächliche Realität? Denn New Work ist ja mehr als Kickertisch und Sofa-Ecke.

Leider wird mittlerweile alles Mögliche mit New Work gelabelt, auch wenn es mit der ursprünglichen Idee des Konzepts nur noch wenig zu tun hat. Im Kern geht es ja darum, dass der Mensch mit seinen echten Talenten und Bedürfnissen wieder im Fokus steht.

Wenn Unternehmen es schaffen, diese zu entlocken und in Teilen für sich zu nutzen, gewinnen am Ende alle. Das setzt aber voraus, dass ich erstmal zuhöre und die Leute kennenlerne, die da Tag für Tag für mich oder mit mir arbeiten. Zu fragen, was jemand wirklich kann und möchte und die Antwort in passende Aufgabenfelder und Arbeitskonzepte zu übersetzen, entfaltet eine viel größere Wirkung als ein Kickertisch es jemals könnte.

Ihr bei Tandemploy geltet als einer der Vorreiter in Sachen New Work. Erklär uns doch kurz, wie es dazu kam und wofür Tandemploy eigentlich steht.

Gestartet sind wir als Plattform für Jobsharing. Bei uns konnten sich also Menschen zusammenfinden, um sich dann gemeinsam auf eine Stelle zu bewerben. Das war schon mal einigermaßen revolutionär (lacht). Inzwischen haben wir uns weiterentwickelt und eine Softwarelösung auf den Weg gebracht, die Unternehmen ganzheitlich bei ihrer ganz eigenen digitalen Transformation unterstützt.

Sie hilft, vorhandene Skills im Unternehmen zu identifizieren und zu nutzen und die nötigen flexiblen Strukturen aufzubauen. Mitarbeitende können ihre Talente sichtbar machen und sich gezielt über alle Abteilungen hinweg mit Kolleg*innen vernetzen, sei es für ein Mentoring-Duo, Jobsharing, einen Generation-Exchange, eine Jobrotation oder einfach ein Lunchdate. Gleichzeitig können Unternehmen mit dem Matching-Tool passende Kandidaten für Projekte oder Teilnehmende für Veranstaltungsformate finden.

Es geht also ums gesehen-werden mit Vorteil für alle Beteiligten – New Work at it´s best sozusagen. Daneben engagieren wir uns für eine vernetzte, innovative und zukunftsgewandte Arbeitswelt auf politischer und gewerkschaftlicher Ebene, zum Beispiel im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft” des Bundeswirtschaftsministeriums oder im Ethikbeirat HR Tech.

Wie siehst Du im Zusammenhang mit Arbeitwelten der Zukunft das Urteil des EuGH zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung?

Aus meiner eigenen Erfahrungswelt heraus würde ich natürlich argumentieren, dass die Regelung total veraltet ist. Für Unternehmen wie unseres, in dem alle flexibel und auf Vertrauensbasis arbeiten, ist sie ein Bürokratiemonster, das wertvolle Zeit frisst. Aber mir ist auch klar, dass wir noch immer eher die Ausnahme als die Regel sind.

Trotzdem: Im Prinzip werden damit nur die Symptome einer kränkelnden „Arbeitswelt“ behandelt, statt die Ursache anzupacken. Und die liegt in starren Strukturen und menschenunfreundlichen Unternehmenskulturen. Ein Grund mehr für uns, weiter auf Hochtouren auf einen Wandel in der Arbeitswelt hinzuwirken, in der alle mitgestalten und selbstbestimmt arbeiten können und in der ein guter Team-Spirit und gemeinsam erreichte Ergebnisse mehr zählen als Stunden auf der Stechuhr.

Anna, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin beim Revolutionieren unserer Arbeitswelt.

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