Verjährung von Urlaubsansprüchen – endlich rechtliche Klarheit 

Der Europäische Gerichtshof hat im September 2022 entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub nur mit der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren verjähren kann, wenn die betroffenen Arbeitnehmer durch ihren Arbeitgeber zuvor rechtzeitig auf die offenen Urlaubstage und die Gefahr des Urlaubsverfalls hingewiesen und zur Urlaubsnahme aufgefordert werden. Die Vorgaben des EuGHs wurden im Dezember 2022 auch vom Bundesarbeitsgericht (BAG) umgesetzt. Die Details zu der Entscheidung erklärt die Fachanwältin für Arbeitsrecht, Beatrice von Wallenberg Pachaly, im Interview.

Verjährung von Urlaubsansprüchen: mit Beatrice von Wallenberg Pachaly, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Frau Rechtsanwältin von Wallenberg Pachaly, was bedeutet dieses Urteil bezüglich der Verjährung von Urlaubsansprüchen genau?

Beatrice von Wallenberg Pachaly: Der Arbeitgeber steht jetzt mehr in der Verantwortung. Bereits Ende 2018 gab es eine Entscheidung des Europäische Gerichtshofs (EuGH). Dabei hatte dieser entschieden, dass ein grundsätzlicher automatischer Verfall nicht genommener gesetzlicher Urlaubsansprüche zum Jahresende, wie ihn das deutsche Bundesurlaubsgesetz eigentlich vorsieht, europarechtswidrig ist. Urlaub kann nach dem EuGH nur verfallen, wenn der Arbeitgeber gewisse Mitwirkungspflichten einhält.

Jetzt, zum Ende 2022, haben EuGH und BAG auch Klarheit zum Beginn der gesetzlichen Verjährung geschaffen. Die Verjährung beginnt damit erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen informiert hat.

Was muss der Arbeitgeber denn tun?

Der Arbeitgeber sollte seine verschärften Mitwirkungsobliegenheiten erfüllen, dass heißt die Arbeitnehmer rechtzeitig und förmlich auf den Resturlaub hinweisen und über die Folgen der Nichtnahme des Urlaubs, das heißt den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs, belehren. Da nun gerichtlich entschieden wurde, dass die Verjährung überhaupt erst zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber seinen genannten Aufforderungs- und Hinweispflichten erfüllt hat, ist anzuraten, auf die Erfüllung der Voraussetzungen besonders zu achten!

Gibt es dabei spezielle Fristen zu beachten?

Der Hinweis sollte so rechtzeitig erfolgen, dass die Mitarbeiter den Urlaub auch noch bis zum 31.12. nehmen können.

Gilt das für alle noch bestehenden Urlaubstage?

Die Hinweispflicht des Arbeitgebers umfasst den Urlaub des aktuellen Jahres und auch nachholend Resturlaub aus vergangenen Jahren. Der EuGH macht klar, dass Urlaubsansprüche nicht verjähren, wenn der Arbeitgeber nicht auf den Resturlaub und den möglichen Verfall der Urlaubstage hingewiesen hat. In unionskonformer Auslegung hat das Bundesarbeitsgericht dann im Dezember 2022 entschieden, dass die Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche erst nach Erfüllung der Hinweispflicht beginnt.

Ohne Hinweis geht also nicht verbrauchter Mindesturlaub nicht zum Jahresende unter, sondern bleibt erhalten und addiert sich zum Urlaubsanspruch des Folgejahres.

Welche Tipps möchten Sie Arbeitgebern geben?

Ich rate Arbeitgebern dringend, einmal im Jahr alle Mitarbeitenden schriftlich über ihre Urlaubsansprüche zu informieren! Der Arbeitgeber sollte die Mitarbeitenden konkret und rechtzeitig zum Urlaubnehmen auffordern und auf bestehende Resturlaubsansprüche und auf den drohenden Verfall, das heißt Erlöschen des Urlaubsanspruchs, hinweisen. Nur wer diesen Nachweis erbringen kann, kann sich als Arbeitgeber auf die Verjährung berufen.

Was gibt es noch zu beachten?

Noch nicht von den Gerichten geklärt ist, was „rechtzeitig“ bedeutet. Der Hinweis muss grundsätzlich so früh wie möglich gemacht werden. Der Arbeitgeber muss für seine Mitarbeitenden dabei sicherstellen, dass der restliche Urlaub bis zum Verfallszeitpunkt noch vollständig genommen werden kann.


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